

· By Anna Hauer
"Die Botschaft Gottes*, der uns so vielfältig geschaffen hat, ist doch feministisch, oder?" - Interview mit Maike Schöfer von ja.und.amen
Maike Schöfer ist Feministin und Pfarrerin in the making. Auf ihrem Instagram-Account ja.und.amen mit über 23.000 Follower:innen spricht sie über ihren Weg mit und zu Gott*, das Aufbrechen patriarchaler Strukturen in der Kirche, Selbstbestimmung, sexuelle Orientierung und Sex itself, und wie das alles mit Glauben zusammenhängt. Was Maike mitgibt: Gott* ist Liebe, die für alle da ist, und auch jeder Person zuteil wird.
In der Bibel kommt der Begriff “unrein” vor, in einigen Kulturen und Religionen sollen sich Menstruierende absondern, um Kontakt mit anderen Menschen und Dingen zu vermeiden. Wie sieht es heute in der Kirche aus, die ja nach wie vor stark vom Patriarchat geprägt ist? Wie wird mit der Menstruation heutzutage umgegangen?
In der Kirche ist die Menstruation noch immer ein Tabu-Thema, wie in vielen anderen Teilen der Gesellschaft auch. Das Menstruierende als „unrein“ gelten und deshalb nicht in den Gottesdienst dürfen, das gibt es in der Evangelischen Kirche lange nicht mehr.
Liest man die besagten Bibelstellen zum Thema Menstruation genau, fällt auf: Die Kategorien unrein/rein bedeuten zur Zeit des Ersten Testaments etwas anderes. Es ging nicht um unhygienisch/hygienisch und damit gut/böse, sondern um ein religiöses, priesterliches Konzept, das sich auf alle Körperflüssigkeiten der Menschen (auch der Männer) bezog. Es ging sogar noch weiter: Alles aus der „Natur“ galt als unrein, alles aus der „Kultur“ galt als rein. Trotzdem war die Zeit aber deutlich patriarchal geprägt, ganz klar. Heute haben sich im religiösen Sinne die Vorstellungen von Heiligkeit und Reinheit/Unreinheit geändert. Wir haben in der Evangelischen Kirche keine Tempel, Opferriten und Reinheitsgebote mehr.
Die Texte in der Bibel zur Menstruation aber gaben Anlass in den darauffolgenden Jahrhunderten, vor allem Frauen damit explizit zu unterdrücken, und im Sinne der Unreinheit abzuwerten. Bibelstellen wurden absichtlich „out of context“ gedeutet, um patriarchale Strukturen durchzudrücken (als Beispiel: die Menstruation sei eine Strafe Gottes, weil Eva sündigte). Und diese Strukturen finden sich noch heute im Umgang mit Menstruation wieder. Zwar nicht in dieser Schärfe, aber es ist noch immer ein Tabu-Thema. Und das obwohl in fast jeder Kirche Blut zu sehen ist, auf Bildern oder Kruzifixen. Christi Blut spielt sogar beim Abendmahl eine Rolle. Menstruationsblut aber gilt als eklig oder geschmacklos. I don‘t get it.
Übrigens: Eine Frau hat nach katholischer Auffassung nie menstruiert – die Heilige Jungfrau Maria. Sie wurde hochstilisiert als die Reinheit pur und zum Gegenstück zur bösen Eva gemacht.
Sprichst du in deinem (gläubigen) Umfeld offen über die Periode? Was beschäftigt Personen bei diesem Thema besonders?
Ja, ich spreche auf Instagram offen und mit meinen Freund*innen über Menstruation. Das, was vielen besonders wichtig ist, ist der Austausch, Informationen und Enttabuisierung. Informieren und Thematisieren ist gerade deshalb wichtig, weil Männer in Religion und selbst in der Medizin immer als „Norm“ galten und Frauen bzw. Menstruierende in Theologie und Medizin als abweichend der Norm.
Daran ist sicher auch die patriarchale Auslegung der Schöpfungsgeschichte schuld: Gott* schuf den Mann und aus seiner Rippe die Frau, deshalb gilt der Mann als Mensch und die Frau als, ja, Untermensch. Falsch, Setzen, Sechs. Sag ich als Feministin und Christin dazu. Gott* schuf den Menschen adam (übersetzbar mit Erdling). Damit ist der Mensch an sich gemeint, ein androgynes Wesen. Und daraus „baut“ Gott* die Frau. Erst in diesem Moment entsteht die geschlechtsdifferenzierte Menschheit. Keine Abwertung ist darin erkennbar.
Aber diese von Kirchenmännern gemachte Abwertung ist bis heute spürbar. Körperlichkeit, Menstruation, Lust, Sexualität – all das, was jahrhundertelang als unrein und böse galt, und Frauen zugeschrieben wurde, wird bis heute von Kirche thematisch ausgeklammert und feministische Theologie stiefmütterlich behandelt.
Wo überschneiden sich für dich Glaube, Sexualität und Feminismus? Wie greifen christliche Werte und Selbstbestimmung für dich ineinander? Oder hat Gott* in der Menstruationstasse nichts verloren?
Gott* hat uns Menschen geschaffen. Gut geschaffen. Mit unseren Körpern, unserer Sexualität, unserer Fähigkeit zu lieben und Liebe zu empfangen – all das macht unser Menschsein aus. Auch meine Menstruation! Mein Gott* diskriminiert nicht und wertet Menschen nicht ab. An so einen Gott* kann ich nicht glauben. Und diese Botschaft von diesem Gott*, die uns so wunderbar und vielfältig geschaffen hat, ist doch absolut feministisch, oder? Wird längst Zeit, dass wir das auch als Kirche so in allen Bereichen leben.
Was wäre eine wichtige, feministische Veränderung in der Kirche, zu der du “Ja und Amen” sagen würdest?
Ich will das Kirche ein Safe Space ist für alle Menschen. Ich will, dass die Kirchentüren für alle Menschen offen stehen, niemand ausgeschlossen oder abgewertet wird. Denn das ist doch unsere christliche Botschaft. Oh, und kostenlose Menstruationsartikel auf jedem Kirchenklo bitte!
Wenn dich Maikes Arbeit interessiert und mehr über sie wissen möchtest, folge gerne ihrem Instagram-Account.
In diesem Artikel wurden absichtlich an einigen Stellen die Begriffe Frau und Mann (ohne *) verwendet, da aus der Bibel zitiert wird oder binäre, patriarchale Vorstellungen veranschaulicht werden.
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Wichtig! Dieser Artikel darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung herangezogen werden, da er sehr allgemein gehalten ist. Wenn du Beschwerden hast, dich krank fühlst (physisch oder psychisch) oder noch mehr zu diesem Thema wissen möchtest, hole bitte ärztlichen Rat ein.