Von Anna Hauer

"Es ist ok, wenn mal nichts ok ist" - Interview mit Yoga-Lehrerin und Endometriose-Betroffene Eva Sturm

Eva Sturm ist Yogalehrerin in Berlin und hilft Endometriose-Betroffenen dabei, den eigenen Körper zu akzeptieren und zu unterstützen. Was Yoga für sie bedeutet und wie es ihr mit ihrer eigenen Diagnose geht, erzählt sie im folgenden Interview.

Bei dir wurde 2016 Endometriose diagnostiziert. Wie ist es dir nach der Diagnose ergangen?

Das erste halbe Jahr nach der Diagnose war ein bisschen ein Struggle. Ich musste verschiedene hormonelle Präparate ausprobieren, bis ich auf eines eingestellt war, wo ich keine massiven Nebenwirkungen hatte. Mit dem Medikament war ich erstmal ganz froh, mich nicht weiter mit der Diagnose auseinandersetzen zu müssen. Ich wollte einfach weiterleben wie vor der Diagnose.

Ich konnte ihr aber nicht entfliehen, hatte trotz künstlichem Wechsel immer wieder mal Schmerzen im Unterleib, und hab Stück für Stück das Gefühl für meinen Körper verloren. Daher habe ich begonnen, mich langsam mehr mit der Krankheit auseinanderzusetzen. Ich wollte wissen, wie ich mich mit ihr arrangieren kann, ohne weiter Hormone nehmen zu müssen. Dafür habe ich sowohl meine Ernährung als auch meine Yogapraxis umgestellt, und bin damit mittlerweile auch ohne Hormone so gut wie beschwerdefrei.

Du hast mit Yoga einen Weg gefunden, mit Endometriose umzugehen. Wie macht sich der positive Einfluss bemerkbar?

Mit Yoga habe ich nach der Diagnose erstmals wieder eine Verbindung mit meinem Körper herstellen können. Das hat mir den Mut gegeben, meinen eigenen Weg zu gehen. Meine tägliche Praxis war wie mein Anker in der anfangs recht chaotischen Zeit. Zudem konnte ich dadurch Beschwerden, wie Schmerzen und Erschöpfung, maßgeblich reduzieren. 

Wie sieht deine persönliche Yoga-Praxis aus? Hast du eine Routine?

Der Schlüssel für Yoga bei Endometriose ist meines Erachtens Regelmäßigkeit und die Praxis an den Zyklus anzupassen. Wenn man keinen natürlichen Zyklus hat, kann man sich am Mondzyklus orientieren. Der Aufbau einer Routine, sowie zyklusgerechtes Yoga ist daher elementarer Teil meines Online-Kurses „Lebenslust statt Endo-Frust mit Yoga bei Endometriose“. Ich persönlich bewege mich täglich. Wie genau meine Yoga-Praxis am jeweiligen Tag aussieht hängt immer davon ab, wie es mir an diesem Tag geht. 

Was machst du an Tagen, an denen du dich nicht hundertprozentig wohlfühlst?

Wenn es mir mal nicht so gut geht, und ich recht erschöpft bin, hilft mir meist entweder mich intuitiv zu bewegen und einfach fließen zu lassen, oder Yoga Nidra zu üben. Im Yoga Nidra musst du dich gar nicht bewegen und wirst auditiv in einen Zustand der Tiefenentspannung gebracht. Das ist daher auch ein treuer Begleiter in meinen ersten beiden Zyklustagen.

Mit welchen Stigmata rund um Endometriose und Periode möchtest du aufräumen?

Mir ist es wichtig, dass Frauen* lernen, dass es kein Zeichen der Schwäche ist, sich die ersten 1-2 Tage der Menstruation zurückzuziehen und auszuruhen. Ich bin eine große Verfechterin von Menstruationsurlaub und setze das auch aktiv in meinem eigenen Business um. Hier gibt es immer einen Disclaimer, dass Live-Events um ein paar Tage verschoben werden, falls sie auf die ersten zwei Tage meiner Menstruation fallen.

Davon inspiriert haben ein paar meiner Teilnehmerinnen dies schon in ihren Unternehmen durchgesetzt. Es muss üblich werden, Frauen* 1-2 Tage pro Monat freizugeben, wenn sie ihre Tage haben. Das hat meines Erachtens einen positiven Einfluss sowohl auf das Wohlbefinden von Frauen*, als auch ihre Produktivität auf dem Arbeitsmarkt. Eine Win-Win-Situation für Arbeitergeber:innen und Angestellte.  

Was möchtest du Menstruierenden auf den Weg mitgeben, die an gynäkologischen Erkrankungen leiden oder sich mit oder während der Periode unwohl fühlen? Wie lernt man, den eigenen Körper anzunehmen, wie er ist?

Es ist vollkommen ok, wenn es einem mal nicht gut geht. Es ist ok, wenn mal nichts ok ist. Wichtig für uns Menstruierende ist, dass wir geduldig und mitfühlend mit uns selbst umgehen. Unser Körper ist auf unserer Seite und nicht etwas, gegen das es zu kämpfen gilt. Wir können lernen, unseren Körper anzunehmen, wie er ist. Das kann uns gelingen, indem wir uns Zeit dafür nehmen, regelmäßig mit unserem Körper zu sein, etwa mit Embodiment Übungen oder auch mal in der Stille. Wir dürfen in ihn hineinspüren und schauen, was er von uns braucht. Unser Körper trägt sehr viel Weisheit in sich!

 

Wenn dich Evas Arbeit interessiert, findest du mehr Informationen auf ihrer Website. Sie bietet auch am 16.03.22 eine kostenlose Yoga-Session an. Infos gibt es dazu hier.  


Foto Credits: 
Lisa Bergmann

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Wichtig! Dieser Artikel darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung herangezogen werden, da er sehr allgemein gehalten ist. Wenn du Beschwerden hast, dich krank fühlst (physisch oder psychisch) oder noch mehr zu diesem Thema wissen möchtest, hole bitte ärztlichen Rat ein.